Dipl.-Germanistin Petra Baumgart:
UR und KALL – Lichtgeistiges Fundament EUROPAS / TANFANAS
Europa ist nach „Wikipedia“ eine Idee. „Europa“ - der lat. Name der Göttin der Abendröte, „Europe“ ihr
griechischer Name und „Tanfana“ ihr germanischer/deutscher - hat einen seherischen, weiten Blick, der selbst die Dunkelheit erhellt.
„Europa“ heißt wörtlich: „Die Frau mit dem weiten Blick“. Unser Kontinent ist seinem Namen nach auf das Engste mit de r Weisheit einer Göttin, einer Seherin verwoben,
der „Dunkel-Gewandeten“, der allwissenden und der allliebenden
Nacht.
Aus den Fragmenten germanischer Mythen erfahren wir, daß von den vier „Gottheiten“, die den Tag und die Nacht bestimmen, die Göttin der Nacht - die Dunkle - die älteste ist. Aus ihr heraus wird der Tag geboren. „Die süßen Töne der aufgehenden Sonne übertreffen Saitenklang 2 und Vogelgesang wie Gold das Kupfer“ (1). Einen Grund zur Freude gibt der Sonne ihr tägliches Bad im Meer, im Mutterwasser, in der UR-Mutter. Die idg. Wurzel „uer“ heißt „feucht“ (2). Noch imTalmud-Jüdischen ist „UR“ die Bezeichnung für „Westen“, für den Sonnenuntergang, das Abendland, die beginnende Dunkelheit. Gewiss ist, daß das „U“ für das Dunkle steht.
Die Göttin der Nacht gab ihrer Tochter den Namen SUNNA, welche nach verrichtetem Tagwerk
stets in den feuchten, kühlen, mütterlichen Schoß versinkt, um sich wieder zu beleben und zu reinigen. Die
Dunkel-Gewandete wird von MANES Mond erhellt und spannt Hrimfaxi (Frostmähne)
vor ihren Wagen:
„Hrimfaxi heißt es,
das den Hehren die Nacht
aufzieht von Osten her;
jeden Morgen
träuft vom Maul ihm Schaum,
davon sind die Täler betaut.“
(Strophe 14 des „Wafthrundnirliedes “)
Die Nacht reitet mit ihrem Hengst „Frostmähne“ dem Tage voran, der jeden Morgen die Erde betaut. So wird beständig
der Tag aus der Nacht geboren.
1 „diutisk“ = „deutsch“ = „licht-geistig“ (nach Dr. Elisabeth Neumann-Gundrum). Lesen Sie dazu auch meinen Aufsatz über: Das
„Licht-Geistige“.
2 „Saitenklang“ meint die Klänge der Harfe. Die romanischen Sprachen entlehnten das deutsche Wort (Grimm, Bd. 10, Sp.
474, 35).
Im Anbeginne der germanischen Mythologie steht das Weibliche, das Fruchtbare, das Feuchte, das Gebärende, das
Mutterwasser, die UR -Mutter. Die Trägerin und Hüterin der Weisheit war in unserer, der germanischen Kult-UR
die Frau. Noch Tacitus wusste zu berichten, dass den Germanen die Frau als etwas Göttliches galt. Wer
das Leben in sich trägt, ist die Trägerin der Sternen-Weisheit.
Der heidnische Begriff „Göttin“ wird durch Grimm wie folgt definiert:
„…in eigentlichem gebrauch von weiblichen gottheiten auszerchristlicher religionen, aber durchaus ohne fühlbaren akzent im sinne des
götzenhaften“ (3).
„…in vergleichender Beziehung oder unmittelbarer übertragung auf irdische
Frauen…verbindliche vorstellungen sind die schönheit, aber auch die der über -menschlichen vollkommenheit, verehrungs- und anbetungswürdigkeit“
(4).
Göttinnen, Frauen mit außergewöhnlichen seherischen Gaben waren in der germanischen Kult -UR irdische Frauen. Auf Tanfana, die germanische Göttin
der Abendröte, die Dunkel-Gewandete, möchte ich näher eingehen. Mit Sicherheit kein leichtes Unterfangen, weil in
der germanischen Dichtkunst eine Fülle von Namen und Worten ein und dasselbe Wesen umschreiben. Die Überlieferung
von UR-Weisheiten, teilweise der Wunsch oder der Wille, nur Eingeweihten zu gängliches Wissen zu verschleiern, entwickelten das
Überlieferte fortlaufend weiter und hielten das Denken, Fühlen und Ausdrücken lebendig. „Namen sind seit alters her mit Wesen
und Charakterzügen des Benannten verknüpft. Erst wenn sie einen Namen erhalten haben, werden ein Kind, ein Tier, eine Gottheit für uns wirklich und richtig lebendig, damit auch ansprechbar. Was wir
mit Namen ansprechen können, kann prinzipiell auch antworten. Das ganze Universum scheint auf diese Weise plötzlich persönlich und belebt.“ (5)
Wer ist Tanfana?
„Über die religiösen Verhältnisse zwischen Rhein und Weser, also der Region, in der Arminius lebte und wirkte, erhalten wir …so gut wie keine Informationen. Allein in sei nen Annalen berichtet er
(d.h.Tacitus), daß bei den Marsern eine Göttin Tanfana verehrt wurde, die ein vermutlich überregional bekanntes Heiligtum besaß. Über ihr Wesen und die Kultorganisation erfahren wir jedoch
nichts.“
(6)
Über das Leben und Wirken Tanfanas habe ich zwei Romane geschrieben (7), denen jedoch ein Quellenanhang beigefügt
worden ist. Warum ist die germanische Göttin der Abendröte, die Dunkel-Gewandete, die Göttin der Nacht und
des Sternenhimmels, die UR-Mutter, die Allmutter, die Muttergöttin, kurz zusammengefasst: TANFANA in Vergessenheit
geraten? Wer hat sie genommen und warum? Kann eine so hohe Bewusstseinsebene und ihre Verwurzelung in den
Seelen jemals ausgelöscht werden? Wir begeben uns zum Externstein auf Spurensuche. Im Felsen I befinden sich die „Große Mutterhöhle mit UR-Bogen“
und der „Brunnen des Mutterschoßes“ (Bezeichnungen nach Prof. Dr. Herman Wirth). Sowohl Wirth als auch der
Paläolinguist Richard Fester weisen in ihren Forschungen auf weltweite Sinnbilder bzw. Erstprägungen hin und zwar als Grundlage aller Sprachen
und Kulturen. Was für Wirth die „UR-Bögen“ in der Mutterhöhle des Externsteines sind, nennt Fester in seiner UR-form „KALL“.
„KALL beschreibt [so Fester] jede Vertiefung, jeden Hohlraum, jede Wölbung, jede Schal e, Höhle, Quelle, vor allem auch den mütterlichen Leib,
die Geburt, das Kind, das Volk. KALL und seine Derivate stehen weltweit und grundsätzlich für den
Begriff des Runden, verweisen auf die
Zusammenhänge von:
- Frau und Gefäß,
- Frau und Quelle,
- Frau und Höhle,
- Frau und Liebes-Glück [das heißt auch Empfängnis, die Verfasserin].
KALL-Formen deuten auf kultische Reigen…Die KALL -Form umspannt Höhle oder Himmel in gleicher Weise…Himmel und Höhle (Hölle) bilden demnach
keine Gegensätze. ... Sie sind Orte der Geborgenheit, in der uns weiblich-schöpferische Kräfte helfend zur Seite stehen…Der Himmel ist nichts anderes als die Decke einer großen, nach oben
gewölbten Erdenhöhle“ (8).
Der Zusammenhang von Frau und Gefäß, Frau und Höhle als Ort der Geborgenheit und der helfenden
weiblich-schöpferischen Kräfte ist UR-alt, so alt wie die UR-Kulte. Das Wort „UR“ in seiner Bedeutung leitet
sich aus den Inhalten ab: UR = feucht = Mutterwasser = weiblicher Reigen. Seit unvordenklichen Zeiten
ist es mit der Weiblichkeit und zugleich dem Mond verwoben. Diese Weisheit bildet die licht-geistige
Grundlage Tanfanas/Europas/Europes. Das Wort „Weisheit“ findet sich nur im Deutschen und Niederländischen . Weisheit kommt aus dem Naturhaften und entspringt dem innersten
Wesen des M enschen. Sie ist untrennbar mit der Erde, dem Wachstum des Organischen auf ihr und der Erfahrung der Ahnen in uns verbunden .
Varus und Germanicus hatten mit ihren Legionen in einem zweiunddreißig Jahre währenden Kampfe (16 v.u.Z. –
16 n. u.Z.) vergeblich versucht, die UR-Weisheit den germanischen Stämmen zu nehmen, ihre Geweihteste Stätte - den
Externstein - dauerhaft zu besetzen und für Nichtiges wie zum Beispiel für irdische Macht zu missbrauchen. Auch eine zweiunddreißig
Jahre währende brutale Missionierung der Sachsen durch den Frankenkönig Karl (772-804 u.Z.)
schaffte es nicht, daß die germanischen Sachsen ihre UR -Stätte dem „Neurömling“ überließen und sich dem ihnen fremden römisch-katholischen
Glauben unterwarfen. Nach dem Ende des15. Jahrhunderts bis in die Hälfte des 18. Jahrhunderts - fast 350 Jahre - wurden vor allem in den ehemaligen germanischen
Stammesgebieten weise Frauen und Männer als Hexen und Ketzer bei lebendigem Leibe verbrannt. (9)
Die Weisheit der weiblichen Göttlichkeit, die untrennbar mit Felsen, Höhlen, Steinen, Quellen, also dem UR-Wissen unserer Ahnen verwoben ist, konnte nicht vollständig aus dem Bewusstsein, aus den Seelen und Herzen der Menschen gerissen werden. D ie helfende und vertraute schöpferische weibliche UR-Kraft ließ sich nicht verdrängen und ist bis heute durch nichts zu ersetzen. Da dem Christentum diese weibliche Göttlichkeit fehlte, drohte die Missionierung gänzlich zu scheitern: „Eine Frau musste her! “
Mehr und mehr hatten die christlichen Massen, aber auch Gebildete aus den hellenistischen Religionen nach
einer Göttin verlangt und es lag durchaus nahe, dass man die am weitesten verbreitete Gottesmutter IS-IS
(die ägyptische Mondgöttin aus der Sonnengott, der Horus, entsproß) oder eine andere, ähnliche Göttin auswählte,
um Ersatz für die dem Christentum fremde Göttin zu finden. Der in Antiocha geschulte Bischof von
Konstantinopel , Nestorius, sprach es 428 klar und nüchtern in seinen Predigten aus: „Die Gottesmutter Maria
sei nichts anderes als eine heidnische Muttergöttin“ (10).
„Im Neuen Testament lassen sich keinerlei Anfänge einer Marienverehrung finden“ (11). Das im Jahre 431 durch den Römischen Kaiser Theodosius II. einberufene „Konzil zu
Ephesus“ verlieh Maria den Titel „Gottesgebärerin“, wodurch sie zur Mutter Gottes erhoben wurde. Die Erhebung Marias zu höheren Ehren war taktisch gesehen ein kluger Schritt, „…denn
dadurch wurden viele christianisierte Heiden bei der Stange gehalten “…(12).
In Rom wird auch bald auf Anweisung des Kaisers der berühmte Prototyp der Marienkirchen, die Basilika „Santa Maria Maggiore“ erbaut. In der bildlichen Darstellung erscheint Maria geradezu
als Kopie der heidnischen Muttergöttinnen , allerdings mit Sternenmantel, Mond und teilweise den Fuß auf der Schlange im Mond. „Mancherorts
sind im Christentum Maria-Kapellen gebaut worden, wo in alter Zeit ein Heiligtum der Göttin war. Die Konturen
beider Gestalten flossen unmerklich ineinander, manchmal veränderte sich nur der Name. Auch heute flehen an all diesen
Orten Menschen um Hilfe und Beistand mit dem gleichen Anliegen wie eh und je - seitdem es Menschen gibt“ (13).
In den letzten zweihundert Jahren machte ein Papst zwei Mal Gebrauch von der „Unfehlbarkeit“: 1854 - „Die unbefleckte Empfängnis Mariens“ und 1950
- „Die leibliche Aufnah me Marias in den Himmel“ (14). Allein 105 Marienerscheinungen gab es im 19./20. Jahrhundert. (15) Mit Sicherheit waren die meisten Erscheinungen
mit dem „UR“ oder „KALL“ verbunden: Frau und Gefäß, Frau und Quelle, Frau und Höhle, Frau und Liebes -Glück.
Maria mit Sternenmantel und Mond gebiert den Sonnengott , und TANFANA, die heidnische Göttin der Nacht und des Sternenhimmels,
die Dunkel-Gewandete, gebiert SUNNA. TANFANA, IS-IS, ARTEMIS, EUROPA, EUROPE, MARIA… – Umschreibungen für ein und dasselbe Wesen, für die
Weisheit der weiblichen Göttlichkeit. Doch nicht nur das „Schwarze“, die Dunkelheit ist ihre waltende Heimstatt .
TAN-FA-NA, die Allmutter und dreifache Repräsentantin des Kosmos:
Bei den TEWA (afrikanischer Stamm) heißt die Sonne „tàn“ (vgl: „Tag“ ).
1. TAN = Sonne (weiß, hell)
Die Göttin als weißer Sichelmond, als zunehmender Aspekt des weiblichen Lebens.
Bei „HAGAL-Der Lebensbaum“ steht die FA-Rune für den Norden, die Finsternis; dort wo die Sonne niemals hingelangt.
2. FA = Neumond (schwarz, dunkel)
Die Göttin als Todes- und Unterweltsgöttin sorgt dafür, daß alles Leben , das in ihrem
Erdenschoße eingeht, aus der Tiefe wieder zu neuem Leben erweckt wird.
Die Endung „NA“ heißt auf vedisch: „In den Wassern“.
3. NA= in den Wassern (rot, Fruchtbarkeit)
Als Vollmond ist sie die Land – und Meer durchwaltende Fruchtbarkeits- und Liebesgöttin, die für die Erhaltung und Erneuerung jeglichen Lebens sorgt.
Bereits Aristoteles nannte DIE DREIHEIT DAS GESETZ, die das Christentum in derselben DreiEinheit nicht übernommen hat.
Weiß und Gelb TAN (Sonne, hell)
Schwarz FA (Neumond, dunkel)
Rot NA (Fruchtbarkeit, die Vereinigung von Sonne und Mond)
Wenden wir uns noch einmal unserer UR-alten Mysterienstätte zu: „Die Externsteine stellen…eine radiaesthetische Einzigartigkeit dar, die
sich in einem ähnlichen Muster erst wieder in der Cheopspyramide in Giseh zeigt. Hier ist ein Kardinalpunkt in dem von uns so bezeichneten Kessel der Wiedergeburt in der Grotte des Felsens 1 zu
nennen, an dem sich z wei Sonnenlinien kreuzen und darin eine dritte Sonnenlinie entspringt (sehr seltenes Ereignis). … In dem Kessel gibt es jedoch ein weiteres Strahlungsphänomen: eine
Mondlinie.“ (16)
Auch hier offenbart sich die Drei-Einheit als unverzichtbarer Bestandteil unseres UR-Wissens:
Weiß und Gelb drei Sonnenlinien,
Schwarz die Mondlinie,
Rot der „Kessel der Wiedergeburt“, „Brunnen des
Mutterschoßes“ (Wirth)
in welchem sich Sonnen - und Mondlinie vereinigen.
TAN-FA-NA versinnbildlicht die Drei-Einheit, die sich in den Farben der deutschen Fahne manifestiert hat: gelb-schwarz-rot. Der
verwandte Wortlaut von TANFANA und FAHNE sollten uns aufhorchen lassen. Das ahd. „fano“ könnte durch die Missionierung das „TAN“
(für Sonne,
welche aus dem Schoße der Weiblichkeit entsprossen ist) aufgegeben haben, jedoch wurde die Farbe „gelb“ beibehalten. „Fano“ ist weiblich, „die fano“:
fa = Neumond, dunkel
no / na = Fruchtbarkeit, Vereinigung von Sonne und Mond.
Möge sich die Weisheit der göttlichen Weiblichkeit - in ihrer Drei -Einheit - unverfälscht jedem Fühlenden und jedem
Suchenden erschließen.
(1) Grimm, Jacob: Deutsche Mythologie, Bde I-III, Wiesbaden1992, S.619
(2) Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Digitale Version 2001, Bd. 24, Sp. 2353, 67
(3) Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Digitale Version 2001, Bd. 8, Sp. 1348, 3 6
(4) Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Digitale Version 2001, Bd. 8, Sp. 1350, 52
(5) Zingsem, Vera, Vom Charme der Germanischen Göttermythen, Tübingen 2010, S.257/258
(6) Dr. Michael Zelle, An wen glaubte Arminius? Götter und Kultplätze in Germanien um die Zeitenwende,
Katalog-Band zur Ausstellung „MYTHOS“, 2009.
(7) Baumgart, Petra, TANFANA-Die Göttin der Marser, Lichtenau 2012
Baumgart, Petra, TANFANA-Die letzte Seherin der Germanen, Lichtenau 2012 (2.Auflage)
(8) Zingsem, Vera, Vom Charme der Germanischen Göttermythen, Tübingen 2010, S.44/45
(9) Hexenwahn, Ängste der Neuzeit, Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums Berlin, 03.Mai – 06.August 2002.
(10) Deppe, Hans-Werner, Eine kurze Geschichte der Marienverehrung, www.betanien.de, S.1
(11) a.a.O., S.2
(12) a.a.O., S.3
(13) a.a.O., S.4
(14) a.a.O., S.4
(15) a.a.O., S.4
(16) Lüdeling, Ingeborg und Hartmut, Die Externsteine im Licht der Geomantie, argo 2012, S.1